Historische Wasserkraftanlage

Neue Kanäle für die alte Kraft des Wassers

Zwei Jahre lang hat der Verein Weberei Rosenberg die historische Wasserkraftanlage renoviert. Mit dieser wurden einst die Webstühle betrieben. Heute ist der Wasserlauf auch eine Bereicherung für die Natur und ein Ort der Entspannung.

Ein schmaler Pfad führt bei der Pulvermüli in Wila zwischen den Bäumen hindurch über eine kleine Holzbrücke, die Wanderer trockenen Fusses über den Rodbach bringt. Ein sanftes Plätschern ist zu hören, dort im Wald. Sonnenstrahlen fallen durch die Bäume hindurch und bilden Lichtpunkte auf dem Boden. «Es ist ein schöner Ort hier», sagt Rolf Stocker, Leiter der heutigen Institution Rosenberg (siehe Infobox unten). «Ich komme selbst gerne hierher, wenn ich Ruhe brauche, und empfehle den Ort auch unseren Gästen für eine Meditation oder einen entspannenden Spaziergang dem Wasser entlang.»

Neben der Brücke befindet sich die sogenannte Wasserfalle. Eine Vorrichtung, gebaut aus Holz. Mit einem Schieber lässt sich hier das Wasser vom Rodbach in hölzerne Kanäle leiten, die es dem Waldweg entlang weiter talwärts führen bis in den Rosenbergweiher.

Die Wasserfalle bildet den Anfang der historischen Wasserkraftanlage des Rosenbergs, die 1858 erstellt wurde. Einst wurden mit dieser Energie die Webstühle der ehemaligen Seidenweberei betrieben. Heute passiert das immer noch, allerdings nur zur Show. Gewebt wird hier schon lange nicht mehr. Trotzdem wollte Stocker die Wasserkraftanlage erhalten. Zwei Jahre lang hat er sie mit vielen Helfern zusammen saniert. Diese Woche werden die Arbeiten abgeschlossen.

Die historische Wasserkraftanlage des Rosenbergs wurde 1858 erstellt.

«Ich komme selbst gerne hierher, wenn ich Ruhe brauche»

Foto: Madeleine Schoder

Foto: Madeleine Schoder

Ein neuer Studienraum

Seit fünf Jahren führt Rolf Stocker den Rosenberg zusammen mit seiner Partnerin Susan Köppel. «Wir sind hier oben eine sozialpädagogische Grossfamilie», sagt er. Diese bietet drei Jugend­lichen Platz, die ein Time-out brauchen, von welcher Situation auch immer. Daneben bietet das Haus Raum für Lager oder sonstige Aktivitäten. Der Verein Weberei Rosenberg unterstützt die Institution.

Ein einziger Peitschenwebstuhl ist noch im Haus zu finden, den der Verein vom Winterthurer Technorama übernehmen konnte. Er ist mit farbigen Baumwollgarnen bespannt und wird über eine historische Transmission – eine Übersetzung aus Rädern und Lederriemen – von der Wasserkraft angetrieben. «Der Webstuhl ist nicht original aus der Fabrik», sagt Stocker. Aber so ähnliche Modelle füllten hier einst die Räume.

Im heutigen Webatelier bildet die Maschine das Zentrum. Durch die teils milchigen alten Fenster fällt die Morgensonne, sie geben den Blick auf dichtes Grün frei. Stocker will hier bald eine Art Studienraum mit Bibliothek und Bistro für Schüler und Studenten einrichten. In der hauseigenen Schreinerei wurden dafür lange Holztische gefertigt. Das Studierzimmer ist ein Teil des gesamten Sanierungsprojekts.

Der historische Webstuhl rattert im Webatelier wie einst schon vor 160 Jahren.

Der historische Webstuhl rattert im Webatelier wie einst schon vor 160 Jahren.

«Verwittern oder erhalten?»

2015 bemerkte Rolf Stocker, dass die Wasserkraftanlage mehr und mehr kaputtgeht. Das Holz war verwittert. «Lange hätte das System nicht mehr funktioniert.» So stellte sich die Frage: «Erneuern oder verwildern lassen?» Geschützt ist die Anlage nicht und somit konnten er und der Besitzer der Liegenschaft selbst über ihren Erhalt befinden. Und sie entschieden sich für eine Sanierung. «Die Wasserkraftanlage ist ein Zeuge der Industriekultur und unterdessen auch Lebensraum für verschiedene Tiere», sagt Stocker. Ausserdem liege im Weiher gestaute Energie. «Es wäre schade, diese nicht zu nutzen.»

Das Fachwissen für die Sanierung hat sich Rolf Stocker teils selbst angeeignet. «Ich bin ein Allrounder», sagt er, der einst eine Lehre als Maschinenmechaniker absolvierte, dann Lokführer wurde und danach als Delegierter für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Krisengebieten auf der ganzen Welt im Einsatz war. Zurück in der Schweiz, arbeitete er für Hilfsorganisationen, bevor er schliesslich zum Rosenberg kam. Zum Teil zog er Fachleute, Studenten und Handwerker bei. 175 000 Franken stecken in dem Projekt.

Diesen Sommer sprach der Lotteriefonds des Kantons Zürich die Hälfte des Betrags. In gleicher Höhe ist der Beitrag der Gemeinde Wila und der Verein trägt zehn Prozent der Kosten. Beim Lotteriefonds hatte Stocker schon 2016 ein Gesuch gestellt. «Allerdings machte dieser die Erneuerung der Wasserkonzession zur Auflage.» Und das dauerte. Anfang Jahr erhielt er die Konzession und damit die Erlaubnis, das Wasser des Rodbachs und des Rosenbergweihers weiterhin zu nutzen. «Zwischendurch hatte ich schon mal ein Tief, weil es nicht vorwärtsging und wir schon viele Rechnungen beglichen hatten», sagt Stocker. Aber er machte weiter und erhielt schliesslich auch die Zusage des Lotteriefonds.

«Die Wasserkraftanlage ist ein Zeuge der Industriekultur und unterdessen auch Lebensraum für verschiedene Tiere. Es wäre schade, diese nicht zu nutzen.»

Wasser aus dem Rodbach rauscht durch hölzerne Kanäle durch den Wald. Die historische Anlage wurde in den letzten zwei Jahren rundum renoviert.

Wasser aus dem Rodbach rauscht durch hölzerne Kanäle durch den Wald. Die historische Anlage wurde in den letzten zwei Jahren rundum renoviert.

Mechanisch und elektrisch

Als Auftakt zum Sanierungsprojekt erneuerten Forstwartlehrlinge 2016 in einem Baukurs die Wasserfalle. Einige Holzkanäle wurden ersetzt, die Brücke erneuert, Fusswege gebaut und Stocker selbst renovierte zusammen mit einem Studenten die Turbine. Diese wird mit dem Wasser aus dem Rosenbergweiher angetrieben. Dafür dreht Stocker im Turbinenhaus an einem schwarzen Handrad.

Das Wasser rauscht hörbar durch die Leitungen. An einem weiteren rot lackierten Handrad justiert er die Wassermenge, damit der Strahl optimal auf die Turbine trifft. Diese treibt dann entweder die Welle an, die zum Rosenberg hinaufführt, oder einen Generator. Den hat Stocker neu eingebaut. «Wir können hier zeigen, wie Wasserkraft mechanisch und elektrisch genutzt werden kann.» Denn etwa im Jahr 1930 wurde auch in der Seidenweberei mit Strom produziert.

Im Atelier rattert dann der Webstuhl, Baujahr circa 1910, und verbreitet den Charme längst vergangener Zeiten.

Die Feier zur Erneuerung der Wasserkraftanlage findet am Samstag, 17. November, von 11 bis 16 Uhr beim Rosenberg Wila statt.

Weitere Infos zum Programm gibt es unter www.rosenberg-wila.ch.

© Tamedia