Warum hat Facebook diese Änderung am Algorithmus vorgenommen?
Thomas Hutter: Betreiber von Facebookseiten werden mittel- und langfristig weniger Reichweite bei organischen Inhalten erhalten. Bezahlte Inhalte, also Werbung, sind davon nicht betroffen. Es gibt dafür einen offiziellen und einen inoffiziellen Grund. Der offizielle Grund ist, dass Facebook die Interaktion zwischen den Menschen verstärken möchte, dafür eignen sich vielmehr Inhalte aus dem privaten Umfeld und weniger Inhalte von Seiten. Inoffiziell bedeutet die Reduktion der organischen Reichweite für Seitenbetreiber auch Mehreinnahmen bei Facebook, da Seitenbetreiber, wenn sie viele Menschen erreichen möchten, auch entsprechend Werbegelder einsetzen müssen.
Vor ein paar Jahren wollte Facebook noch bewusst Medienunternehmen pushen, wollte gar zur primären Newsquelle werden. Wieso die Abkehr von dieser Strategie?
Inhalte von Medienunternehmen werden nach wie vor bevorzugt. Die Reduktion in den Neuigkeiten des Users beträgt rund 20%, der Anteil von Medieninhalten im Newsfeed wird von 5% auf 4% reduziert. Die Reduktion dürfte in erster Linie damit zusammenhängen, dass Medieninhalte die Interaktion zwischen Menschen nicht unbedingt fördern. Mit den Anschuldigungen rund um die Beeinflussungen im amerikansichen Wahlkampf von 2016 dürfte dies nicht im Zusammenhang stehen. Allenfalls bedeutet die Reduktion von Medieninhalten eher ein kleines Kräftemessen zwischen Facebook und den Verlagen – immerhin profitieren die Verlage seit Jahren von der enormen kostenlosen Reichweite, die sie über Facebook erhalten.
Seitenbetreiber müssen jetzt tiefer in die Tasche greifen, um noch Reichweite zu erzielen. Ein Trick von Facebook, um an mehr Werbegelder zu kommen?
Ja und Nein. Seitenbetreiber, die relevante und interessante Informationen bereitstellen, werden auch in Zukunft mit kostenloser Reichweite beschenkt. Selbstverständlich bedeutet aber die Reduktion der organischen Reichweite gleichzeitig eine Erhöhung der Werbeeinnahmen.
Welche Tipps können Sie Seitenbetreibern geben?
Seitenbetreiber sollten sich ihrer Ziele im Klaren sein. Weniger ist mehr, das heisst, mehr Qualität, anstelle von Quantität. Qualitative Inhalte sollten, wenn diese Unternehmenszielen dienen, entsprechend beworben werden. Unternehmen sollten Facebook mit einer klaren Marketingstrategie nutzen – anders gesagt: The Playtime is Over.
Ist Facebook überhaupt noch sozial? War es das je?
Selbstverständlich. Gerade wenn privaten Inhalten wieder mehr Bedeutung zugeschrieben wird, geht Facebook einen deutlichen Schritt in Richtung «Social Network».
Immer mehr Nutzer
Die Nutzerzahlen von Facebook steigen seit Jahren beinahe kontinuierlich: Im Jahr 2018 verzeichnet Facebook weltweit 2,1 Milliarden aktive Nutzer. «Aktiv» sind alle, die Facebook mindestens einmal im Monat genutzt haben. 1,4 Milliarden Menschen nutzen die Plattform täglich, im Januar 2015 waren es erst 890 Millionen. Facebook ist zu einer wichtigen Plattform für Unternehmen geworden: Über 70 Millionen Firmen betreiben eine Seite. Facebook hat im vierten Quartal 2017 13 Milliarden Dollar an Umsatz gemacht.
Langsam nähert sich Facebook jedoch einer Grenze: Laut der Werbeagentur Bernet PR sind die Nutzer auf Facebook weniger aktiv, zudem verlassen immer mehr junge Leute die Plattform. Lediglich bei den ü40-Nutzern erfreut sich die Plattform jedoch weiterhin steigender Beliebtheit. Viele Experten werten die Änderung des Algorithmus deshalb auch als Versuch, Nutzer vermehrt zum aktiven Interagieren zu verleiten und weitere Absprünge zu verhindern.