Der Kämpfer

Bild: Reto Oeschger

Bild: Reto Oeschger

Roger Kusch, ehemaliger Hamburger Justizsenator, hat die einzige deutsche Suizidhilfeorganisation nach Schweizer Vorbild gegründet. Sein Verein Sterbehilfe Deutschland veröffentlichte jedes Jahr ein Weissbuch, in dem alle Suizide beschrieben waren, bei denen die Organisation geholfen hatte. Mehrfach geriet der heute 63-jährige Kusch ins Visier der Staatsanwaltschaft. Er konnte jedoch nie strafrechtlich belangt werden.

«Das Verbot verletzt aus unserer Sicht das Selbstbestimmungsrecht, das Bestandteil des Grundgesetzes ist.»

Einige Jahre bevor die organisierte Suizidhilfe in Deutschland verboten wurde, hatte Kusch einen Ablegerverein in Zürich gegründet. Als die neue Rechtsordnung kam, kündigte Kusch an, sich an sie zu halten.



Herr Kusch, haben Sie seit der Gesetzesänderung wirklich niemandem mehr geholfen oder tun Sie es heute mittels Ihres Schweizer Ablegers?
Nein, wir haben seit zwei Jahren keine Sterbehilfe mehr geleistet. Auch nicht in der Schweiz.

Wie vielen Menschen hat Ihr Verein bis zum Verbot beim Sterben geholfen?
Seit der Gründung im Jahr 2010 haben wir rund 250 Fälle betreut.

Und was bezwecken Sie mit dem Schweizer Ableger?
Den haben wir gegründet, um auch nach Einführung des Sterbehilfeverbots auf jeden Fall handlungsfähig zu bleiben. Natürlich behalten wir uns die Option offen, in Zukunft in Zürich Suizidbegleitungen durchzuführen.

Was hinderte Sie bisher daran?
Um in der Schweiz Sterbehilfe zu leisten, braucht man eine Wohnung. Die Schweizer Behörden lassen diese Nutzung in Wohngebieten allerdings nicht zu. Sie argumentieren, dass von einem solchen Ort immaterielle Emissionen ausgehen. Für uns heisst das, dass wir in Industriegebieten suchen müssen, wo es nicht viele Wohnungen zu mieten gibt. Wir haben aber noch nicht resigniert.

«Wir behalten uns die Option offen, in Zürich Suizidbegleitungen durchzuführen.»

Der Verein Dignitas hat es geschafft, indem er in Pfäffikon ZH ein Haus gekauft hat.
Ja, auch uns wurden Häuser zum Kauf angeboten. Aber im Gegensatz zu Dignitas sind wir ein kleiner Verein mit rund 400 Mitgliedern und weniger finanziellen Mitteln. Für einen Kauf reicht es uns leider nicht.

Laut Ihrer deutschen Webseite setzen Sie sich auf juristischem Wege dafür ein, dass Sie in Deutschland wieder Suizidbegleitungen durchführen können. Wie gehen Sie dabei vor?
Das Verbot verletzt aus unserer Sicht das Selbstbestimmungsrecht, das Bestandteil des deutschen Grundgesetzes ist. Unser Verein hat beim Bundesverfassungsgericht gegen den Paragrafen 217 Beschwerde eingereicht, um ihn ausser Kraft setzen zu lassen. Wir sind übrigens nicht die Einzigen: Insgesamt sind 13 Beschwerden eingegangen, davon hat das Gericht im Juli 2017 aber zwei als unzulässig abgewiesen.

Haben Sie noch Hoffnung, dass einer der elf hängigen Beschwerden stattgegeben wird?
Ja. Aus juristischen Fachkreisen wurde uns bestätigt, dass unsere Argumentation hieb- und stichfest ist. Wir sind aber nicht vollständig überzeugt, dass wir gewinnen werden, weil das Gericht auch politisch inspiriert ist.

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