Der Sterbeberater

Bild: Benno Schirrmeister

Bild: Benno Schirrmeister

Einer, der auch schon in Nebels Diskussionsgruppe auftauchte, um eine Suizidmethode vorzustellen, ist Peter Puppe aus dem nahen Bremen. Er gehört zu den fünf Sterbehelferinnen und Sterbehelfern, die sich vor dem Verbot in Deutschland öffentlich zu ihrer Tätigkeit bekannt haben.

Allerdings ist der 74-jährige Puppe kein Arzt, sondern pensionierter Lehrer. Seit 2005 war er als Sterbehelfer unterwegs. Menschen wie er, sagte er in einem Dokumentarfilm, würden die Lücke füllen, die entstand, weil der Ärzteschaft die Suizidhilfe durch ihre Standesordnung untersagt ist.



Herr Puppe, waren Sie nach der Einführung des neuen Gesetzes nochmals als Sterbehelfer unterwegs?
Ich habe mich selber nie Sterbehelfer genannt, sondern Sterbebegleiter, allerdings bis zum letzten Atemzug. Seit der Einführung des Paragrafen 217 nenne ich mich nur noch Sterbeberater. Das heisst, ich gebe alle Informationen weiter, wo die Leute sich die Hilfsmittel beschaffen und wie sie sich selbst helfen können. Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, ich assistiere heute nicht mehr beim Suizid. Und meines Wissens macht das auch sonst niemand mehr.

«Ich habe mit mehr als tausend Menschen vertrauliche Gespräche über ihren Suizid geführt.»

Wie viele Menschen hatten Sie denn bis zur Einführung des neuen Gesetzes insgesamt beim Suizid begleitet?
Ich werde nie Zahlen nennen, denn die spielen keine Rolle.

Doch. Es geht auch darum, die Nachfrage nach Suizidhilfe abzuschätzen.
Neben Medizinern, die in Einzelfällen geholfen haben, gab es immer nur fünf Sterbehelfer in Deutschland. Wenn ich deren Zahlen und meine eigenen zusammenrechne, komme ich auf 110 bis 120 Fälle pro Jahr. Das beinhaltet aber nur diejenigen Menschen, die die letzte Hürde genommen haben. Viele möchten vor allem über ihre Suizidgedanken sprechen, wissen aber nicht, an wen sie sich wenden sollen. Seit 2005 habe ich mit mehr als tausend Menschen vertrauliche Gespräche über ihren Suizid geführt. Vielen hat das geholfen, sich fürs Weiterleben zu entscheiden.

Wie viel verdienen Sie mit Ihrem Angebot?
Ich habe nie Geld verlangt, sondern nur meine Spesen vergüten lassen. Je nach Entfernung sage ich den Leuten, mit welchen Kosten ich für Fahrt, Verpflegung und Unterkunft rechne. Das ist mein Mindestbetrag. Sie können nach eigenem Ermessen davon abweichen und mir auch etwas schenken. Viele tun das gerne.

Nachfrage nach Suizidhilfe besteht auch nach dem Verbot weiterhin. Kommen Sie manchmal in Versuchung, doch zu helfen?
Einer hat mal gesagt: Wenn ich Ihnen 20 000 Euro gebe, würden Sie mir dann helfen? Ich habe abgelehnt. Die 20 000 Euro sind mir doch keine drei Jahre Gefängnis wert.

Sie haben mehrere Bücher zum Thema Suizid veröffentlicht. Ihr neuestes trägt den Titel «Sanfte Sterbehilfe ohne Arzt», umfasst 72 Seiten und kostet 89 Euro. Ist das nicht etwas teuer?
Nein. Der Erlös soll denjenigen Menschen zugutekommen, die meine Beratung brauchen, aber zu wenig Geld haben, um meine Spesen zu decken. Das Buch ist im Übrigen noch nicht massenhaft verkauft worden. Es hat wahrscheinlich noch nicht mal die Druckkosten eingespielt.

Sie geben darin konkrete Anleitungen für den Suizid: Welche Hilfsmittel zu beschaffen sind, wie man genau vorgehen soll. Damit gehen Sie das Risiko ein, dass sich Menschen vorschnell das Leben nehmen, ohne zu versuchen, auf anderem Wege ihre Situation zu verbessern. Wie können Sie das verantworten?
Ich lehne die Verantwortung dafür ab, denn das Buch ist als Antwort auf den fürchterlichen Paragrafen 217 entstanden. Aber ich sehe das sowieso anders: In Deutschland nehmen sich jedes Jahr rund 10 000 Menschen mit Erfolg das Leben. Viele werfen sich vor einen Zug, hängen sich auf oder springen von einem Hochhaus. Das sind keine humanen Methoden. Wenn ich von diesen den einen oder anderen dazu verleite, eine sanftere Methode zu wählen, dann finde ich das positiv.


Konzept, Text, Audio und Video: Manuel Frick / Bilder: Manuel Frick, Thorsten Wulff, Reto Oeschger, Benno Schirrmeister / Datenquelle: Dignitas (Stand 13.12.17)

Konzept, Text, Audio und Video: Manuel Frick / Bilder: Manuel Frick, Thorsten Wulff, Reto Oeschger, Benno Schirrmeister / Datenquelle: Dignitas (Stand 13.12.17)

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